Markus Lanfranchi, Hof Pura Vita (Verdabbio, GR)
Sind Sie zufrieden mit dem Angebot der Pflanzen/Samen, die heute auf dem Markt angeboten werden? Welche Wünsche haben Sie an Neuzüchtungen im Pflanzenbereich?
Generell möchte ich festhalten, dass Züchtung und Auslese zu statisch und von Menschen mit zu viel spezialisiertem Wissen bestimmt werden. Auf diese Weise werden Kriterien der urbanen Versorgung mit transportierten und gelagerten Nahrungsmitteln bedient. Zudem fliessen Trends und/oder Modeströmungen in Zucht und Auslese ein, welche sich z.T. gegen eine Gesundung von Erde und damit auch auf Mensch und Tier auswirken.
Die Zentralisierung von Saatgut- und Nutztierzucht verhindert, dass standortangepasste Pflanzen und Tiere das Land bevölkern. Dies birgt enorme Gefahren angesichts eines Mikroklimas, welches seit je her veränderlich ist (deshalb die vielen Lokalsorten bzw. -schläge) aber momentan schnelle und dramatische Veränderungen generiert. Auf diese Herausforderungen hat nur die Gentechindustrie vermeintliche Lösungen im Angebot…
In der Tierzucht ist die Lage noch viel dramatischer, da keine Rassen gefördert werden, welche nach Kriterien einer Mitwelt-Vertäglichkeit gezüchtet und ausgelesen wurden. Auch hier dominiert die ethikbefreite Mischrechnung einer Gewinnmaximierung.
Generell möchte ich geltend machen, dass Ethik, als Konvention für die Förderung einer störungsresistenten Lebensgemeinschaft alles Lebens, kein Kriterium ist für gegenwärtige Zucht und Auslese. Diesen Umstand bewerte ich als gefährlich und sehr dumm! Als Alternative würde sich ein besserer Austausch zwischen Wissenschaft und Praktiker anbieten! Dafür müssten jedoch die Landhirten in die Verantwortung genommen werden, wofür bedeutende Umwälzungen bereits in der Ausbildung der neuen Bäuer:innen Bedingung wären.
Finden Sie Gentechnik unnötig? Weshalb?
Gentechnik ist insofern unnötig, als dass bis vor kurzer Zeit eine Fülle an Sorten und Rassen die Erde bevölkerten, welche genau die Kriterien erfüllen, welche genetisch modifizierte Sorten angeblich erfüllen. Standardisierte Sorten und internationale Sortenlisten mit handelbaren Pflanzensamen schränken die historisch entstandene Vielfalt ein und ersetzen diese mit Ertragsorten, welche sich alle gleichzeitig im selben Reifestadium befinden, was für Hausgarten oder lokale Direktvermarktung ungeeignet ist! Diese generiert jedoch laut Welt-Agrarbericht rund 80% der verdauten Kalorien der Weltbevölkerung.
Fazit: Industrielle und technologieintensive Landwirtschaft ist enorm ineffizient und fördert Nahrungsunsicherheit. Es erleichtert auch Machtkonzentrationen und beraubt Lebensgemeinschaften einer aufbauenden Wirkung in Bezug auf heutige Herausforderungen.